Verträge haben in Unternehmen eine strategische Bedeutung. Gerade in größeren Organisationen werden Verträge häufig in verschiedenen Abteilungen oder gar unterschiedlichen Gesellschaften verwaltet. Oftmals ist nicht transparent ersichtlich, welche Verträge für welche Unternehmensbereiche gültig sind, ob Verträge mit gleichen Lieferanten zu unterschiedlichen Konditionen abgeschlossen wurden, welche geplanten oder tatsächlichen Kosten mit Verträgen verbunden sind oder wann welche Verträge nachverhandelt oder gekündigt werden können.

Vertragsmanagement

Vertragsmanagement – Kündigungsfristen im Blick behalten

In einer Reihe von Projekten konnten wir größere Vertragsmanagement-Systeme auf Basis von Microsoft SharePoint einführen und haben dabei Erfahrungen gesammelt, die weniger die technische Umsetzung als vielmehr das organisatorische Aufsetzen des Projekts, das Projektmanagement und die richtige, zum Projekterfolg führende Vorgehensweise betreffen. Dieser Artikel schildert einige dieser Erfahrungen und bietet auch eine kleine Checkliste für Organisationen, die sich mit der Einführung eines zentralen Vertragsmanagements beschäftigen.

Der Begriff “Vertrag” kann in größeren Organisationen sehr weit gefasst sein, mögliche Ausprägungen reichen von strategischen Rahmenverträgen über Letter of Intents bis hin zu normalen Miet-, Arbeits-, Wartungsverträgen. Aber auch Geheimhaltungsvereinbarungen (Non Disclosure Agreements) sind Verträge, die nicht nur abgelegt werden, sondern in einem Streitfall schnell gefunden und ausgewertet werden müssen. Selbst Beauftragungen von Lieferanten, Bestellungen oder Leistungsscheine sind Verträge oder Vertragsbestandteile.

Dies macht die Einführung eines umfassenden und transparenten Vertragsmanagements nicht einfacher, werden doch Aufträge und Bestellungen in aller Regel per ERP-System abgewickelt, während die unterschiedlichsten Verträge in verschiedenen Abteilungen mit unterschiedlichsten Werkzeugen verwaltet werden. Und zusätzliche wichtige Informationen wie Kundenstammdaten oder Beauftragungen können in einem SAP-System liegen, Mitarbeiter- und Organisationsinformationen in einem Active Directory, Vertragslisten in Excel-Dateien usw.

Darüber hinaus spielen Zugriffsberechtigungen bei Verträgen eine besondere Rolle. Für jede Vertragsart gibt es in der Regel einen definierten Benutzerkreis, der Verträge erstellen, bearbeiten oder einsehen darf. Auch können vertrauliche Verträge besonderen Geheimhaltungsregelungen unterliegen.

Schließlich sind bei der Einführung eines Vertragsmanagements datenschutzrechtliche Aspekte zu berücksichtigen, und auch der Betriebsrat muss mit einbezogen werden, werden doch bei vielen Verträgen personenbezogene Daten gespeichert und verarbeitet.

Auf die Organisation kommt es an

Ein zentrales Vertragsmanagement kann daher nicht “mal eben” eingeführt werden. Damit eine Einführung erfolgreich wird, sind folgende organisatorischen Voraussetzungen wesentlich:

  • Ein klares Mandat von der Unternehmensleitung, dass ein zentrales, umfassendes Vertragsmanagement eingeführt werden soll. Eine solche Einführung ist ein Change Management-Projekt, und ohne ein klares Bekenntnis der Unternehmensleitung kann eine Umsetzung nicht gelingen, da Arbeitsweisen in Abteilungen geändert werden und mit Widerständen und Verzögerungstendenzen gerechnet werden muss.
  • Ein mit diesem Mandat ausgestattetes Projektteam, das organisatorische und technische Kompetenzen vereint, mit einem durchsetzungsstarken Projektleiter.
  • Aufsetzen eines Lenkungskreises aus allen Stakeholdern. Dies sollte keine Diskussionsrunde mit Vertretern aller Abteilungen sein, sondern ein kleiner Kreis unternehmensweit entscheidungsbefugter Manager, die die Einführung unterstützen und vorantreiben.
  • Zentrale strategische Zielsetzung für das Gesamtunternehmen. Welche Vorteile entstehen durch ein zentrales Vertragsmanagement für die gesamte Organisation? Diese Ziele müssen für alle transparent und deutlich formuliert und regelmäßig kommuniziert werden, um den Aufwand für die Durchführung, Umsetzung und Umstellungen zu rechtfertigen. Typische, übergreifende Ziele sind zum Beispiel:
  • Erhöhen der Transparenz abgeschlossener Verträge und damit Schaffen von Verhandlungsspielräumen (z.B. mit Lieferanten)
  • Fristencontrolling: Automatische Erinnerungen an Kündigungsfristen und –stichtage
  • Einsparungen beim Erfassen, Genehmigen, Suchen von Verträgen
  • Übergreifendes Reporting
  • Vermeidung von Vertragsrisiken

Interessen und Interessierte – die „Stakeholder“

Bei einem strategischen Projekt wie der Einführung eines Vertragsmanagements sollten sich die Projektverantwortlichen immer im Klaren darüber sein, welche Stakeholder an dem Projekt interessiert sind und auch welche Interessen sie verfolgen. In größeren Organisationen sind die Stakeholder meist

  • Die Geschäftsleitung bzw. das verantwortliche Management
  • Projektleitung
  • Vertreter aus einer oder mehreren Abteilungen, die für die erste Umsetzung als Pilotabteilungen zur Verfügung stehen
  • Zentrale IT/Systembetreuung
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Auch sollten bereits in der Konzeptionsphase die möglichen Auswirkungen der Einführung in Hinblick auf

  • Datenschutz
  • Arbeitnehmerrecht/Betriebsrat

evaluiert werden. Da in der Regel personenbezogene Daten verarbeitet werden und die Transparenz der Arbeit erhöht wird, sind solche Einführungen mitbestimmungspflichtig und müssen von einem Datenschutzbeauftragten bewertet werden. Durch eine frühe Evaluierung verhindern Sie spätere Verzögerungen oder aufwändige Anpassungen im eigentlichen Projekt.

Wer will eigentlich was?

Nicht zu unterschätzen ist eine Beurteilung, welche Parteien welche Interessen verfolgen. Nicht immer ist der Wunschzustand – alle Stakeholder ziehen an einem Strang – gegeben. Wichtig ist eine gute interne Kommunikation, ein Teambuilding mit allen Stakeholdern und der Abbau von Hemmnissen. So sollte beispielsweise der IT-Abteilung klar werden, dass ein externer Dienstleister kein Konkurrent, sondern eine temporäre Teamergänzung ist. Und wenn Mitarbeiter Altsysteme betreuen, die abgelöst werden sollen, sollten diese im Vorfeld von den Vorteilen eines neuen Systems überzeugt sein und das Vorhaben mittragen.

Diese Überlegungen treffen natürlich für alle größeren IT-Projekte zu, sind aber bei der Einführung eines Vertragsmanagements von besonderer Bedeutung, da eben viele Abteilungen betroffen sind und da es sich um unternehmenskritische Dokumente handelt.

Checkliste und Stufenplan

Vor der Einführung einer Prozesslösung für das Vertragsmanagement müssen die Anforderungen an eine Lösung definiert werden. Für solche Zwecke dient eine kleine Checkliste erarbeitet, die Ihnen hilft, die notwendigen Vorbereitungen zu treffen. Damit reduzieren Sie wirksam den Gesamtaufwand für eine Einführung, entsteht doch ein großer Teil des Aufwands durch organisatorische Fragen und der häufig kleinere Teil durch die technische Umsetzung.

Die folgende Checkliste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, bietet aber einen Einstieg und sollte gemeinsam mit Ihrem Dienstleister beantwortet bzw. ergänzt werden.

1. Zielbestimmungen

Was sind die Kernziele für die Vertragsverwaltung? Wir würden Sie diese Ziele priorisieren? Beispiele wie oben dargestellt:

  • Erhöhen der Transparenz abgeschlossener Verträge und damit Schaffen von Verhandlungsspielräumen (z.B. mit Lieferanten)
  • Fristencontrolling: Automatische Erinnerungen an Kündigungsfristen und –stichtage
  • Einsparungen beim Erfassen, Genehmigen, Suchen von Verträgen
  • Übergreifendes Reporting
  • Vermeidung von Vertragsrisiken

2. Analyse Ausgangssituation

Die betroffenen Abteilungen sollten im Detail darüber befragt werden, wie sie bisher Ihre Verträge verwalten und welche Attribute / Angaben sie über die Verträge in Zukunft benötigen, um beispielsweise Dokumente wiederzufinden. Dabei sind die Anforderungen in jeder Abteilung in der Regel individuell und werden anschließend in Form unterschiedlicher Vertragsarten im Vertragsmanagement konfiguriert.

  • Welche Arten von Verträgen existieren bzw. sollen mit der Software verwaltet werden?
  • Wie viele Verträge existieren pro Vertragsart (Größenordnung)?
  • In welchem Zustand (Papier, Scan)?
  • Welche Zusatzinformationen (Begleitschreiben, Kommunikation) wurden bisher zusammen mit den Verträgen verwaltet bzw. sollen zukünftig verwaltet werden?
  • Wie wurden bisher Laufzeiten, Kündigungsfristen etc. verwaltet?
  • Wer sind die Vertragspartner? Gibt es entsprechende Kontaktlisten bereits in elektronischer Form?
  • Gibt es (pro Vertragsart) eine zurzeit durchgeführte Vertragsverwaltung, in der die wesentlichen Vertragsmerkmale wie z.B. Fristen, Konditionen, Gültigkeit etc. aktuell gehalten werden? In welcher Form erfolgt die Verwaltung (Excel, ERP-System…)
  • Für welche Abteilungen/Vertragsarten soll die Software in der ersten Umsetzung implementiert werden?

Bei den identifizierten Vertragsarten, welche Zusatzinformationen (Metainformationen) sollen pro Vertragsart verwaltet werden? Beispiele für mögliche Felder siehe unten.

3. Sammeln und Konsolidieren der Anforderungen

Fokussieren Sie sich bei der Konkretisierung auf ein oder zwei Pilotabteilungen. Auch wenn die Anforderungen/Wünsche aller Abteilungen einfließen sollten, ist die Beschränkung auf eine Pilotabteilung sehr sinnvoll, um eine lange – womöglich nicht endende – Anforderungsdiskussion abzukürzen. Eine Strukturierung der Anforderungen könnte wie folgt aussehen:

Vertragsablage

Welche Arten oder Klassen von Dokumenten sollen verwaltet werden? Beispiele sind Vertragsentwürfe, unterschriebene Originale, Preislisten, Schriftverkehr, Kündigungsschreiben, Kündigungsbestätigung, Unterlagen/Präsentationen des Vertragspartners etc.

Vertragsattribute

Die folgende Aufstellung ist beispielhaft und beinhaltet die häufigsten Attribute (aus unseren Projekterfahrungen)

  • Vertragstitel
  • Vertragsgeber
  • Vertragsnehmer/Vertragspartner
  • Vertragsstatus (Welchen Status kann ein Vertrag haben (ggf. differenziert nach Vertragsart)? Beispiel: Aktiv, Ruhend, Ausgelaufen, Gekündigt, Wiedervorlage, Inaktiv, Unterbrochen)
  • Vertragstyp (Mietvertrag, Leasingvertrag…)
  • zugeordnete Abteilung/Unternehmensbereich
  • Vertragsnummern (Nummernkreise der erstellenden Abteilungen, Nummer beim Vertragspartner)
  • Vertragsschlüssel/-kategorie
  • Vertragsverantwortliche Personen
  • Geltungsbereiche für Vertrag (zum Beispiel geografische Geltungsbereiche bei global operierenden Unternehmen)
  • Zugeordnete/Abhängige Verträge (Rahmenverträge, übergreifende Vertragsregelungen, separat verwaltete Anlagen, z.B. Leistungsscheine)
  • Vertragstermine (Abschlussdatum, Vertragslaufzeit, Kündigungsstichtage, Verlängerungsoptionen, Wiedervorlagen)
  • Unterzeichnende Personen/Unterschrifstdatum
  • Ort der Ablage des Original-Papiervertrags
  • Vertragssprache
  • Vertragskosten (Einmal/Periodisch/Variabel)
  • Vertragswährung
  • Zahlungsbedingungen
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Je nach Konstellation können sehr viel mehr Vertragsattribute gewünscht/sinnvoll sein, und ggf. werden auch bestimmte Informationen in Drittsystemen wie z.B. einem ERP-System verwaltet. Wichtig ist hier eine Abwägung und Balance zwischen

  • dem Wunsch, später möglichst umfassend alle Arten von Auswertungen durchführen zu können
  • dem Aufwand bei der Erfassung von Verträgen

Grundsätzlich umfassend auswertbar sind nur Attribute, die als Pflichtfelder erfasst werden müssen. Eine häufig sinnvolle Vorgehensweise besteht darin, beim Anlegen eines Vertrags möglichst wenig Pflichtfelder vorzuschreiben, um eine schnelle Ersterfassung zu ermöglichen, und erst beim Eintreten eines bestimmten Vertragsstatus weitere Pflichtfelder vorzusehen, zum Beispiel wenn ein rechtsgültiger Vertrag abgelegt wird.

Dokumentenmanagement

  • Bearbeitung und automatische Versionierung möglich/erwünscht?
  • Genehmigungs-Workflow?
  • Import/Export von Dokumenten?

Compliance-Anforderungen

  • Historie/Versionierung aller Änderungen an Verträgen und Vertragsattributen?
  • Revisionssicherheit gegeben? Wie ist Revisionssicherheit in Ihrer Organisation definiert?

Berechtigungen und Zuständigkeiten

  • Welche Personen haben welche Rollen in Bezug auf den Vertrag (Verantwortliche Person, Sachbearbeiter, Vorgesetzte, juristische Ansprechpartner).
  • Für welche Personen ist ein Vertrag relevant/gültig?  Dürfen diese Personen die Verträge einsehen oder auch bearbeiten? Nur Einsicht in die Vertragsattribute (Auswertungen) oder auch in die Dokumente selbst

Reporting

  • Welche Arten von Auswertungen werden benötigt?
  • Einfaches Erstellen/Erweitern von Reports

Suche/Wiederauffinden von Verträgen

  • Volltextsuche
  • Suche nach Kategorien/Attributen bzw. Kombinationen
  • Einstiegs-Seiten
  • To-Do-Listen

Benachrichtigungen

Automatische Benachrichtigungen bei bestimmten Änderungen, z.B.

  • baldiges Ablaufen der Kündigungsfrist
  • Änderungen durch andere Personen

Mehrsprachigkeit

Gibt es eine zentrale Unternehmenssprache, oder muss das System mehrsprachig ausgelegt sein? Welche Sprachen müssen unterstützt werden?

Schnittstellen

Welche Drittsysteme stellen Daten zur Verfügung? Für welche Drittsysteme müssen Daten bereitgestellt werden. Beispiele:

  • Personenstammdaten können aus einem SAP-System oder aus einem Verzeichnisdienst (Active Directory) stammen
  • Vertragspartner-Stammdaten können aus einem ERP-System kommen
  • Vertragsinformationen müssen ggf. anderen Systemen bereitgestellt werden
  • Wenn andere Vertragsmanagementsysteme im Einsatz sind und nicht sofort abgelöst werden sollen, ist eine Synchronisierung von Vertragsinformationen zu gewährleisten
  • Vertragsakten müssen für Dritte (z.B. einem Anwaltsbüro) bereitgestellt/exportiert werden können

Datenmigration

Im Zuge der Ablösung von anderen Vertragsverwaltungssystemen muss eine Migration der Daten sorgfältig geplant werden. Dies ist in der Regel ein kleines Unterprojekt.

4. Einführungsfahrplan

Der Erstellung und Verabschiedung eines Einführungsfahrplans (gerne auch Roadmap genannt) kommt eine entscheidende Bedeutung zu. Dieser Plan sollte organisatorische und technologische Aspekte berücksichtigen

  • Anforderungskatalog
  • Interne Konzeption der Vorhabens
  • Ausschreibung/Evaluierung Produkthersteller/Dienstleister
  • Auswahlprozess und Budgetierung
  • Ggf. Pilotprojekt mit Anbieter(n)
  • Entwicklung Feinkonzept / Umsetzungsspezifikation gemeinsam mit Anbieter/Dienstleister

Erst im Anschluss sollte mit der klassischen Umsetzung begonnen werden. In diesen ersten Phasen ist das “Verkaufen” der Vorteile eines zentralen Vertragsmanagements nach innen mindestens ebenso wesentlich wie die Auswahl des “richtigen” Partners und Dienstleisters.

Sind diese Hürden genommen und sitzen Stakeholder, Projektteam und externer Partner wirklich in einem Boot mit einer gemeinsamen Zielsetzung, dann steht einer erfolgreichen Einführung nichts im Wege.

Zusammenfassung

Leider dauern viele Einführungsprojekte immer noch länger als geplant, werden teurer oder scheitern ganz. Letztlich gibt es kein Garantierezept für die erfolgreiche Einführung eines Vertragsmanagements, aber die Erfahrung zeigt, dass immer wieder die organisatorischen Hürden unterschätzt werden. Sind die organisatorischen Voraussetzungen gut und ist der Dienstleister kompetent und sowohl technisch als auf organisatorisch versiert, gelingen diese Projekte leicht. Sind die organisatorischen Voraussetzungen nicht gegeben, kann auch das beste Projektteam scheitern.